Lena Marie Emrich - BRACE, BRACE
Lena Marie Emrich
BRACE, BRACE
15.11.2024 – 10.01. 2025
Openning, 15.11.2024, 6–9 pm
Last Call: Platform Unknown
Text by Estelle Hoy
“On the train, we swapped seats. You wanted the window, and I wanted to look at you.”
― Mahmoud Darwish
A lifetime’s worth of silver dust settles on the endless um’s and ah’s of Lena Marie Emrich’s exhibition BRACE BRACE, filling her images and sculptures with all the infinitesimal speculative dreaming found in departure. Her proneness to detachment is an enigmatic discovery of life’s limbos, unknown destinations, a love of uncertainty, and interstitial community stirrings that posture viewer-as-traveller. Travellers examine the environment and social conditions more closely than their usual inhabitants, who barely winch or flap at the particular whistles of their mise-en-scène, tragic or otherwise. Aching with last-minute curiosity, she transforms into a pilgrim herself, with long tears on overnight trains, an outlaw, a nomad, fleeing, exiled in soft cruelty, slightly bent on orange sunsets and the poetic clicks of foreign tongues. What are our chances of survival when fleeing just about everything? All we really want is tenderness.
BRACE BRACE (2024), Emrich yells at us, photographing performance artist Bianca LeeVasquez in the clammy contortions instructed by inflight stewards to shoulder impacts we’re unlikely to withstand. LeeVasquez is vaguely secure herself, crouched over an empty burgundy wine crate and drill case, doubled over in origami folds, breathing in chaosmic spasms. Choosing to breathe is an exceptional talent that depends entirely on the skill of the creator and their proximity to death. We familiarize ourselves with the brace position, time and time again, watching it performed dutifully, forms we’ll doubtfully ever execute, and if ever we do, the image’s victory is a near laughable delusion. Viewing the large-scale photographs floating behind the fragility of glass, our minds are lost to sugary dreams of viable survival; humans drape themselves in the stink and blood of hope, respiring over the turbulent refrain of rationality.
Emrich re-orients herself through the windowless poem of Palestinian-born Mahmoud Darwish, “A seat on a train” (2002), which inspired the show. His song is from a people tens of thousands of years old, their quest for love, and the poetry of displacement, shattering limits, borders, and escaping the rude measure of time. Faraway rail tracks where Darwish details exile, expulsion, the groundwork of collective memories, our abject pursuit of love and empathy, and all the addresses we’ve lost to nostalgia—missed connections. It’s an urgent matter, his sonorous railway; with unsteady response and empty upturned pockets, we woefully distance ourselves. We can’t breathe, but this is arbitrary.
Trapping us in marginal territory, Emrich installs the precise form of aeroplane tray tables to perfect scale, coated with metallic varnish for Back Seat Series (2024). Emulating the minimal storm of Darwish’s quiet, stationed movements, nominal and feint, the artist proclaims solidarity with the breathless language of stillness. Folding trays are closed for ascension and descent, so we lean into the chants of the attendants, the stewards of perfect time, reshuffling ourselves on cramped chairs over and over in wait. Waiting for words of permission to unfold our silver platters, awaiting the social body to act in unison, awaiting instruction: our incurable malady. The price of flying-drinks is highway robbery; the price of breathing is living– a wobbly pursuit. Passengers stare at their handles, hour upon hour, our so-called agency melts into Emrich’s skillful sculptures, draped in past stories: a sentimental rosé scarf of her grandmother, brisk branch, a necklace. What is our greatest nostalgia? It’s our favored medium, a wanderer's experiment, one curious and distant affect; we know that.
Brutish air fails to bowl from abstracted metallic hand dryers that arrow down in sharp gasps for V Series (2024). Emrich confronts us with a sculptural tete-à-tete that declines the violent yet efficacious air to come– the premonition of possible harmony inscribed in present chaos. Potential but foreclosed passageways where she counsels us: embrace the chaos, and it will paint the prose of purpose. Breath is more expressive than words, a marvelous phenomenon down on all fours, barking and foaming at the mouth, praising its hopeful success in pure equanimity. Did Emrich say that poetry can be defined? She did not.
Poetry is truly nothing.
Letzter Aufruf: Bahnsteig Unbekannt
Text von Estelle Hoy
“On the train, we swapped seats. You wanted the window, and I wanted to look at you.”
– Mahmoud Darwish
Der silberne Staub eines ganzen Lebens legt sich auf die endlosen „Ähs“ und „Hmms“ in Lena Marie Emrichs Ausstellung BRACE BRACE, füllt ihre Bilder und Skulpturen mit unendlichen spekulativen Träumen, die man im Aufbruch findet. Ihre Neigung zur Loslösung ist eine rätselhafte Erkundung der Schwebezustände des Lebens, unbekannter Ziele, einer Liebe zur Ungewissheit und zu einer in den Zwischenräumen liegenden Menschlichkeit, die den Betrachter als Reisenden inszeniert. Reisende setzen sich mit der Umwelt und den sozialen Verhältnissen intensiver auseinander als ihre gewöhnlichen Bewohner, die bei den besonderen Pfiffen ihrer – tragischen oder nicht tragischen –Mise en Scène (Inszenierung) kaum zucken oder hadern. Von letzter Neugier erfüllt, verwandelt sie sich selbst in eine Pilgerin, mit langen Tränen in Nachtzügen, eine Gesetzlose, eine Nomadin, auf der Flucht, im Exil sanfter Grausamkeit), leicht angetan von orangen Sonnenuntergängen und dem poetischen Klicken fremder Zungen. Was sind unsere Überlebenschancen, wenn wir vor allem fliehen? Alles, was wir wirklich wollen, ist Zärtlichkeit.
BRACE BRACE (2024), ruft uns Emrich entgegen, während sie die Performancekünstlerin Bianca LeeVasquez bei den klammen Verrenkungen fotografiert, die uns Flugbegleiter beigebracht haben, um Aufpralle abzufedern, denen wir wahrscheinlich nicht standhalten können. LeeVasquez ist selbst nur vage sicher, in geduckter Haltung auf einer leeren, burgunderfarbenen Weinkiste und einem Werkzeugkoffer, mehrfach gefaltet wie Origami, atmet sie in chaotischen Krämpfen. Zu Atmen ist ein außergewöhnliches Talent, das ganz von der Geschicklichkeit des Ausübenden und seiner Nähe zum Tod abhängt. Auf Reisen werden wir wieder und wieder mit der Schutzposition vertraut gemacht, sehen pflichtbewusst zu, wie sie vorgeführt wird – Bewegungen, die wir wohl kaum jemals ausführen werden, und falls doch, wäre der Triumph des Bildes eine fast lächerliche Illusion. Beim Betrachten der großformatigen Fotos, die auf Sicherheitsglas, aufgezogen sind, verlieren sich unsere Gedanken in süßen Träumen von einem möglichen Überleben; Menschen hüllen sich in den Gestank vom Blut der Hoffnung und atmen über den turbulenten Refrain der Vernunft hinweg.
Emrich nimmt neuen Bezug auf das fensterlose Gedicht des in Palästina geborenen Mahmoud Darwish, „A seat on a train“ (2002). Sein Lied stammt von einem Volk, das zehntausende Jahre alt ist, ihrer Suche nach Liebe und von der Poesie von Vertreibung, eine Liebe, die Grenzen sprengt und dem groben Maß der Zeit entkommt.Auf fernen Bahngleisen beschreibt Darwish Exil, Vertreibung, die Grundlagen kollektiver Erinnerungen, unser verzweifeltes Streben nach Liebe und Empathie und all die Adressen, die wir durch nostalgisch verpasste Verbindungen verloren haben. Sein sonorer Bahnhof ist eine dringende Angelegenheit; mit ungewisser Reaktion und mit leeren umgestülpten Hosentaschen distanzieren wir uns beklommen.
Emrich fängt uns im Randgebiet; für Back Seat Series (2024) installiert sie die präzise Form von Flugzeugklapptischen maßstabsgetreu, die mit Metallic-Lack überzogen sind. Die Künstlerin imitiert den stillen, stationären Sturm von Darwishs leisen, gemessenen Bewegungen, nominell und andeutungsweise, und bekundet Solidarität mit der atemlosen Sprache der Stille. Die Klapptische sind für den Auf- und Abstieg geschlossen, also lauschen wir dem Gesang der Flugbegleiter, den Hütern der perfekt eingehaltenen Zeit, und rutschen in wartender Haltung immer wieder auf unseren engen Stühlen umher. Wir warten auf die Erlaubnis, unsere Silbertabletts zu entfalten, wir warten darauf, dass der soziale Körper einheitlich handelt, wir warten auf Anweisungen: das ist unsere unheilbare Krankheit. Die Drinks an Bord sind maßlos überteuert; der Preis des Atmens ist das Leben – ein wackeliges Unterfangen. Die Passagiere starren stundenlang auf die kleinen Hebel, und so verschmilzt unsere vermeintliche Handlungsfähigkeit in Emrichs geschickten Skulpturen, eingehüllt in Geschichten von Vergangenen: ein sentimentaler rosafarbener Schal ihrer Großmutter, ein Strauch, eine Kette. Was ist unsere größte Nostalgie? Es ist unser bevorzugtes Medium, das Experiment eines Wanderers, ein kurioser und distanzierter Affekt; das wissen wir.
Brutale Luft versiegt in den abstrahierten metallischen Händetrocknern der V Series (2024), die für gewöhnlich in scharfen Atemzügen herunter pfeift. Emrich konfrontiert uns mit einem skulpturalen Tête-à-Tête, das die heftige, aber wirksame kommende Luft ablehnt – die Vorahnung möglicher Harmonie, die im gegenwärtigen Chaos eingeschrieben ist. Mögliche, aber verschlossene Durchgänge, in denen sie uns rät: Umarmt das Chaos, und es wird die Prosa der Absicht malen. Atem ist ausdrucksstärker als Worte, ein wunderbares Phänomen auf allen Vieren, das bellt und schäumt und sein hoffnungsvolles Gelingen in purer Ausgeglichenheit preist. Hat Emrich gesagt, dass sich Poesie definieren lässt? Nein, hat sie nicht.
Poesie ist wirklich nichts.