Aaron Scheer 'So far, so good'
AARON SCHEER
So far, so good
solo show
April 23 – May 21, 2022
Opening
Saturday, April 23, 12 – 6 pm
opening times
Wed. – Fr. 3–6 pm
Saturday, 30. April 2–6 pm, Sunday, 1. Mai 2–6 pm
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Waldenserstraße 2–4
10551 Berlin
Es ist 2018, draußen ist es dunkel, drinnen Stau im Drucker. Aaron Scheer lässt das Ding auf Hochtouren laufen. Einmal zu oft, Gerät streikt. Kann vorher niemand wissen, wie viel Farbschichten sich da geschmeidig durchmanövrieren lassen. Eine Runde nach der anderen, irgendwann ist Schluss. Papier verkrumpelt, Farbe ausgelaufen. Scheer kitzelt die Maschine über die Kapazitätsgrenze. Benutzen, ausnutzen, zweckentfremden. Auf der Suche nach dem perfekten Fehler ringt der Künstler mit dem Gerät.
Moderne Technologie ist der Funktionalität verschrieben. Gadgets und Apps funktionieren perfekt, wenn sie präzise und zuverlässig auf die Skalierbarkeit menschlicher Produktivität einzahlen. Nichts blurred, nichts hakt, nichts glitcht – binnen weniger Sekunden ist alles geladen. So soll das, doch so will Scheer das nicht haben. Er provoziert technologische Erschöpfungszustände auf der Suche nach der Menschlichkeit des Maschinellen.
Es ist 2019 und Aaron Scheer liegt auf der Couch. Fummelt am Tablet rum, wischt durch den App-Umschalter. Er macht einen Screenshot, macht hunderte, nennt sie „Malmaterial“. Schiebt sie auseinander, legt sie übereinander, collagiert sie unter Maximalstrapazierung der eigenen Fingermobilität, bis nur noch kleine Fetzen Fotosubstanz auf die Ursprünge des Werks verweisen.
Scheers Arbeiten sehen aus, wie sich Internet anfühlt – jedenfalls für Normalsterbliche, die sich mit Frontend-Navigation begnügen. Vertraute Elemente der gängigen Bildschirm-Experience entreißt Scheer ihrem Kontext, entfremdet sie, um Vertrautes zu fingieren.
Es ist 2016 und Aaron Scheer steckt mitten in der Identitätskrise. Er hat mit Ölkreide gemalt, er hat rein digital gearbeitet. Maler oder Medienkünstler? Dem Jargon nach post-, aber das klingt so rückwärtsgewandt. Post-Everything-Nowness? Post-[enter random stuff here]? Der Versuch, eine neue Ästhetik zu definieren, ist Scheer Antwort genug. Er zieht die Irritation ihrer völligen Auflösung vor.
Man ist geneigt, Scheers Arbeiten zu missverstehen. Seine Kompositionen verleiten zur Suche nach Spuren von Bildbearbeitungssoftware oder AI. Dabei basieren fast alle auf einem weißen JPG. Wie weiße Leinwand: am Anfang eine Linie, ein Farbblock, händisch gezogen, klassischer Bildaufbau. Scheer arbeitet ohne Entwurf. Er jagt sein Material durch unterschiedliche Programme – Photoshop, Mac-Vorschau, Figma, Illustrator. Layer für Layer. Der Status quo wird als JPG exportiert, keine Bearbeitungsdatei zwischengespeichert. Jedes Command S ein Zustand, auf den es zu reagieren gilt.
Es ist 2020 und Aaron Scheer will es wissen. Wissen, was das Internet über ihn denkt. Also fragt er Google. Er lädt eine Arbeit über die umgekehrte Bildersuche hoch, der Algorithmus zeigt ihm ähnliche Bilder. Scheer liegt im Clinch mit der Abstraktion. Bevor ihm wer eine Wolke in sein Werk interpretiert, lässt er die Maschine auslegen: _Color technology art Images – Search. Titel eingetütet.
Scheer arbeitet in Serien. Printer Paintings, Analog vs. Digital, Tablet Paintings, DaNA, Reverse Image, Digital Noise, GIFing, Unboxing. Letztere sind noch ganz frisch. Digital Aquarelle hypnotisch wie ein guter Bildschirmschoner – oder ein spicy Subreddit. Eigentlich musst du weiter, aber du guckst doch nochmal hin. So funktionieren eigentlich alle seine Arbeiten.
Text: Anna Meinecke